Mit dem biLiS-Round Table bringt der biLiS-Verein die Lehrer der Grundschulen regelmäßig zum Austausch zusammen. Mit Unterstützung von Professor Jacopo Torregrossa von der Goethe-Universität Frankfurt soll der Austausch zwischen den Lehrerkräften gefördert und didaktische Unterstützung, wo nötig, angeboten werden. Professor Torregrossa verfügt über umfangreiche Erfahrung mit der bilingualen Lehre.
Bei unserem 2. Treffen stand aus aktuellem Anlass die online-Lehre im Vordergrund. Mauro Spicci und Valentina Pennati von der Bilingual European School (BES) in Mailand berichteten von ihren Erfahrungen aus den letzten Monaten. Während Mauro Spicci von dem regulären online-Lehrprogramm berichtete, betreut Valentina Pennati Schüler, die quarantänebedingt nicht am Präsenzunterricht teilnehmen dürfen.
Als Besonderheit muss allerdings hervorgehoben werden, dass die Schüler an der BES bereits wenige Wochen nach der Einschulung ein iPad erhalten und dieses auch schon bei den Erstklässlern im Unterricht zum Einsatz kommt. Daher waren alle Schüler zu Beginn der Schulschließungen in Italien schon mit der Handhabung zumindest einiger Programme und Anwendungen vertraut. Trotzdem hat es gut einen Monat gedauert, bis sich insbesondere die Kinder in der 1. und 2. Klasse an die Nutzung des iPad für Unterrichtszwecke gewohnt hatten.
Auch das Unterrichtskonzept an der BES ist sehr progressiv und baut auf einer weitgehenden Einbeziehung der Schüler in die Erarbeitung von Klassen- und Schulregeln und selbständigem Lernen sowie dem Lernen in Kleingruppen auf. Daher wurde auch mit jeder Lerngruppe eigene Regeln für das online-Lernen erarbeitet.
Es hat sich ein festes Zeitraster etabliert, mit festgelegten Zeiten für das koordinierte Lernen am Bildschirm und Zeiten für das individuelle Lernen, während der die Schüler Aufgaben bearbeiten konnten. Zunächst waren die Zeiten für individuelles Lernen (selbständige Bearbeitung von Aufgabenstellungen) kürzer, wurden aber mit der Zeit ausgedehnt. Über den Tag verteilt haben sich letztlich zwei (in der ersten Klasse) bzw. drei Zeitfenster für das gemeinsame Lernen am Bildschirm, gefolgt von individuellen Lernzeiten etabliert. Feste Abläufe (zu Beginn des Schultages, in den Pausen etc.) die aus dem Schulalltag bekannt waren, ebenso wie die Unterrichtsstruktur aus dem normalen Schulalltag, wurden soweit möglich auch in das online-Lernen übernommen.
Als wesentliche Tools wurden Seesaw für die Evaluation des Lernfortschritts und Google Classroom genutzt, die beide schon bei Schülern und Eltern bekannt waren. Für das koordinierte Lernen am Bildschirm hat die BES sich für Zoom entschieden, weil die Handhabung einfach ist und Zoom auch die Aufteilung in kleine Lerngruppen ermöglicht.
Mit der Zeit zeigte sich, dass der online-Schulalltag regelmäßig mit Überraschungen aufgepeppt werden muss, weil der Lernalltag für die Schüler sonst langweilig wird. Die Erlebnisse mit den Mitschülern in der Klasse und auf dem Schulhof fehlen und müssen durch andere Aktivitäten ersetzt werden. Deshalb wurden mit der Zeit Aktionen wie z.B. Kuchenbacken (ein Kind stellt ein Rezept zur Verfügung, die anderen backen es nach und dann wird gemeinsam verkostet) angeboten. Dies diente auch dem Ziel, die Kinder nicht zu viel Zeit am Bildschirm verbringen zu lassen.
Auch Klassenarbeiten wurden online geschrieben. Um Täuschungen durch die Schüler vorzubeugen, hat sich der ohnehin schon vorhandene Ehrenkodex bewährt, der in Kooperation mit den Schülern auch nochmal angepasst wurde. Insbesondere die Schüler in den niedrigen Klassen halten sich sehr gut an solche Regeln. Um aber auch in höheren Klassen Täuschungen vorzubeugen wurden alle Aufgaben in googledocs eingefordert. Bei diesen ist auch das Zustandekommen des Dokuments nachzuverfolgen und einkopierte Textelemente sind zu identifizieren.
Angeboten wurde Schülern, Lehrern und Eltern auch eine psychologische Betreuung, um besser mit der Shut-Down Situation in Italien umgehen zu können. Die Lehrer erhielten auch Unterstützung, um den Umgang mit den neuen Tools zu lernen und ihren Unterricht anzupassen.
Ein weiteres Problem in der aktuellen Situation ist die Betreuung von Schülern, die auf Grund behördlicher Auflagen nicht am Präsenzunterricht teilnehmen dürfen. Diese erhalten eine sehr individuelle Betreuung mit den oben genannten Tools durch Valentina Pennati. In enger Abstimmung mit den Klassenlehrern wird für jedes Kind ein individuelles Lernprogramm aufgestellt. In online-Sitzung bespricht Maestra Pennati dies mit den Kindern, gibt Ihnen Erläuterungen zum Verständnis und Aufgaben für die selbständige Bearbeitung. Die Grundschüler zum eigenständigen Lernen zu motivieren ist natürlich eine besondere Herausforderung, denn die meisten Schüler sieht sie nur einmal am Tag für ca. 90 Minuten. Entsprechend muss in dieser Zeit auch ein Plan für den Rest des Tages und den nächsten Tag bis zum nächsten online-Treffen vereinbart werden. Eigentlich braucht ein Schüler der ersten und zweiten Klasse eine Vollzeit-Betreuung, während ab Klasse 3 etwa 4-5 Schüler (aus unterschiedlichen Klassen) gleichzeitig betreubar sind.
Unabhängig von den Lerninhalten müssen die Lehrer aber auch darauf achten, dass die Schüler Gelegenheit haben, soziale Kontakte zu pflegen und sich untereinander auszutauschen. Weil Valentina Pennati selbst in der Schule ist, während ihre Schüler zu Hause lernen, geht sie auch manchmal mit ihrem iPad in die Klasse des betreuten Schülers, so dass dieser auch mal seine Mitschüler sieht. Auch in den online-Unterrichtsstunden während des Shut-Downs haben die Lehrer den Klassen auch Freiraum zum Austausch und „schwätzen“ gelassen, damit die Schule durch das online-Leben nicht nur auf das Lernen reduziert wird.
Die Rahmenbedingungen an der BES sind sicher besonders gut: Die Kinder werden frühzeitig technisch gut ausgestattet und im Umgang mit der Technik vertraut gemacht, mit überdurchschnittlicher Unterstützung durch die Eltern, das Betreuungsverhältnis mit immer zwei Lehrkräften in jeder Klasse sehr gut, die Lehrer hoch motiviert und mit Unterstützung durch die Schule, Psychologen und ein IT-Team. Trotzdem enthielten die Vorträge zahlreiche Hinweise, wie online-Lehren funktionieren kann. Die Vorträge waren packend und haben Anlass für viele Nachfragen gegeben, so dass am Ende der zweite Tagesordnungspunkt für die Sitzung leider zu kurz kam. Beim nächsten Round Table werden wir uns überlegen, ob und wie wir eine gemeinsame Plattform für Lehrunterlagen schaffen können, um den schulübergreifenden Austausch von Lernunterlagen zu fördern.